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"Formen der Irrationalit? (Forms of Irrationality)

23-24 May 2008
Berne, Switzerland

Symposium der Schweizerischen Philosophischen Gesellschaft
Formen der Irrationalitt
Bern, 23. und 24. Mai 2008

Im Sinne der nachfolgenden Themen- und Problemskizze bitten wir um Beitrge,
zunchst in Form eines Abstracts im Umfang von 1 Seite A4. Eingereichte
Abstracts werden blind begutachtet. Die angenommenen Beitrge werden in
thematischen Sitzungen vorgestellt. Die Vortrge sind auf eine Dauer von 20
Minuten beschrnkt. Darauf wird eine zehnmintige Diskussion folgen. ~V
Bitten senden Sie das Abstract Ihres Beitrags bis zum 20. Januar 2008 an
folgende E-Mail-Adresse des Prsidenten der Schweizerischen Philosophischen
Gesellschaft, Herrn Professor Peter Schaber: schnueriger@philos.uzh.ch



Zu den Aufgaben der Philosophie als einer Sachwalterin der Vernunft gehrt
die Abgrenzung des Rationalittsbegriffs von seinen Gegenbegriffen, deren
Unterscheidung untereinander und die Bestimmung dessen, was unter sie fllt.
Einer dieser Gegenbegriffe ist der der Irrationalitt. Zum Irrationalen
zhlen Irrtum und das Versumnis der Irrtumsvermeidung mittels Prfung und
Korrektur, Selbsttuschung, Wunschdenken und Willensschwche. Irrational ist
es, dem Informationswert einer Hypothese mehr Gewicht beizumessen als ihrer
Wahrheit. Irrational ist es, etwas zu glauben, weil man hofft, es sei wahr,
und frchtet, das Gegenteil knne der Fall sein. Irrational ist es, eine
Handlung zu unterlassen, von der man sich bei Erwgung aller Umstnde klar
gemacht hat, dass sie die beste wre.

Anders als das Nichtrationale, das ausserhalb des Bereichs der Rationalitt
liegt und zu dem das Moment der Rationalitt weder konstitutiv noch in
regulativem Sinn gehrt, ist Irrationalitt ein Mangel an Rationalitt, eine
Privation des Rationalen, die innerhalb der Sphre des Rationalen auftritt.
Erstens kommt daher dem Rationalen sowohl eine begriffliche als auch eine
epistemische Prioritt zu. Wie Rechtslehren begriffslogisch, statt vom
Unrecht, vom Recht und wie Pathologien von einem Begriff der Gesundheit
ausgehen mssen, nimmt eine Bestimmung des Irrationalen ihren Ausgang von
der Rationalitt. Auch kann Irrationalitt nur vor einem Hintergrund
berwiegend rationalen Verhaltens erkannt und namhaft gemacht werden und
darum nicht der Standardfall sein. Zweitens drfte der Begriff der
Irrationalitt wie der der Rationalitt normativ sein. So nennen wir primr
menschliches Verhalten irrational, sekundr oder abgeleitet aber die
Produkte bzw. Resultate dieses Verhaltens.

Doch erzeugen gerade Dependenzen dieser Art Irritationen der Vernunft. Zum
einen ist das Irrationale das Widervernnftige, das den normativen
Ansprchen der Vernunft widerstreitet. Zum anderen erscheint es leicht so,
als seien die Begriffe des Irrationalen und seiner Erscheinungsformen selbst
in Paradoxien der Irrationalitt verstrickt und wiesen darum ihrerseits
rationale Defizite auf. Im Allgemeinen stellt sich die Frage, wie
Irrationalitt mglich ist. Im Besonderen sind wir damit konfrontiert zu
bestimmen, was Irrtum, Selbsttuschung, Willensschwche etc. ist, ob es sie
gibt und wie man deren mgliche Vorkommnisse erklren kann. Whrend die
Irrtumsmglichkeit vermutlich nur um den Preis der Inkonsistenz bestritten
werden kann, haben auch moderate Denkerinnen in Abrede gestellt, dass man
willensschwach der Erkenntnis des praktisch Guten zuwider handeln knne. Des
weiteren betonen Philosophen, welche ~DSelbsttuschung~S analog zu
~DFremdtuschung~S begreifen, wie unplausibel die Annahme sei, eine Person
knne sich selbst bewusst hinters Licht fhren und etwas glauben machen, von
dessen Gegenteil sie zugleich berzeugt sei. Die Erklrung von Phnomenen
dieser Art bedarf mithin besonderer gedanklicher Anstrengung.

Im Lichte normativer Erwgungen stellt sich die Frage, ob ein Verhalten, das
zu den Formen der Irrationalitt zhlt, stets zu vermeiden ist oder ob es so
etwas wie Irrtum, Selbsttuschung oder Willensschwche zum wissenschaftlich
oder lebenspraktisch Guten gibt. Nun ist zwar der Irrtum nicht allein
Indikator menschlichen Strebens, sondern als Vehikel der Verbesserung
weitreichender Aussagen und Theorien wissenschaftstheoretisch auch gut
beleumundet. Zumindest ber der Frage, ob Selbsttuschung und
Willensschwche zum Guten ausfallen knnen, drften die Ansichten dagegen
auseinandergehen.

Erwgungen wie diese fhren schliesslich der weiterreichenden berlegung,
wie Philosophie mit Formen der Irrationalitt umgeht bzw. umgehen sollte.
Der Spielraum der Strategien reicht von der Deskription und Theoriebildung
bis zur Bestreitung des Irrationalen, einerseits, und von der Integration
des Widervernnftigen bis zu seiner Ausgrenzung, andererseits.